Wien West-Bahnhof, 21. Vermessung
05. August 2009, Text: Bruno Kajusic-Pavic
Ewigkeiten
Ewigkeiten sitze ich schon hier.
Gefangen in meiner Freiheit.
Außerhalb von Raum und Zeit, frei von allem.
Gefangen auf diesem Bahnhof der Welten.
Zug um Zug fährt ein, fährt aus.
Menschen, unzählige Menschen gehen an mir vorbei.
Sie sehen mich nicht, sie bemerken mich nicht.
Ich sehe sie nur verschwommen, nur kurz, zu schnell ist ihre Zeit, zu groß meine Freiheit.
Rot!
Was war das?
Rot!
Ein Mensch wie ich einer war.
Außerhalb der Zeit.
Doch was tat sie?
Ganz in rot, schritt sie anmutig durch den Raum, den Zollstock in der Hand.
Ihre Bewegungen ein sonderbarer Tanz, anmutig, geschmeidig, aber irgendwie fremd.
Mit bedächtigen langsamen Bewegungen vermaß sie den Raum.
Doch warum tat sie es?
Eine Zeit der wir egal waren, ein Raum der uns verstieß.
Dennoch
Dennoch
Ich beobachtete sie, heimlich, verborgen, still.
Wagte nicht zu stören.
Bald vergaß ich wo ich war, nahm die Menschen nicht mehr wahr.
Der ewige Farbensturm, die Bewegungen der Menschen im Zeitraffer, ich nahm nichts mehr wahr.
Nur noch den Raum, meinen Raum.
Lange verfolgte ich das Schauspiel, die Mystik zog mich in den Bann.
Maß um Maß nahm der Raum seine Form an.
Etwas veränderte sich, doch ich verstand nicht was.
Eine Ewigkeit verging.
Sie verschwand hinter einer Säule, doch kam auf der anderen Seite nicht wieder zum Vorschein.
Panik
Ich lief sofort hinter die Säule, vergebens. Keine Spur von ihr.
Ein Zug verließ den Bahnhof.
Ferne
Ich konnte ihn gerade noch so sehen, ein roter Punkt stand am Fenster.
Dann verschwand der Zug und ich ward zu Boden geworfen ...
von einem Menschen.
Der vermessene Raum war um mich geworfen, ich war nun nicht mehr allein.
Ich war.
Gefangen
Gefangen in Raum und Zeit